Dienstag, 6. September 2011

Sommer Teil 1

So, nun habe ich endlich mal ein wenig Zeit einen neuen Beitrag für meinen in letzter Zeit sträflich vernachlässigten Blog zu verfassen.
Wie ihr euch sicher denken könnt, war der Sommer echt stressig.
Nun liegen nur noch zwei Touren vor mir, die Königinnen Tour (17 isländische Damen) kommen am Donnerstag und bleiben bis Sonntag. Ich werde allerdings nur den ersten Tag mitreiten, weil es endlich meine liebe Familie nach Island geschafft hat. Im Moment treiben sie sich irgendwo im Süden dieser fantastischen Insel herum, kommen aber eben Donnerstag abends zu mir.
Die zweite Tour ist Skrapatungarétt, der Pferdeabtrieb, da werden die Jungpferde im Hochland zusammen- und dann zurück hinunter in die Täler getrieben, dort nach Höfen sortiert und heimgebracht. Anschliessend solls eine grosse Party geben, habe ich gehört.

Begonnen hat der ganze Stress Ende Juni mit der "special tour". Da kamen zwölf Teenager aus Reykjavík mit vier Betreuern. Die Jugendlichen kommen alle anscheined aus sozial eher schwachen Verhältnissen und nehmen das ganze Jahr an einem Betreuungsprogramm teil, von dem die Reittour im Sommer dann der krönende Abschluss ist.
Für uns hiess das: finde die allerbravsten (und stärksten!) Gäule der Umgebung (die Kids hatten nur so ein paar Reitstunden), hieve die Kids rauf und halte die Herde in Schach, damit sie selbige nicht überrennen. Dabei lernt man auch die langsamsten Pferde wie unseren unbezahlbaren Silfurtoppur zu schätzen, den auch sechzig von allen Seiten im Galopp überholende Pferde nicht aus seinem slow-motion Schweinepass werfen können. Sehr stabiler Charakter. ^^


Dann reiste eine Gruppe finnischer Damen an, manche von ihnen des Englischen wenig bis gar nicht mächtig, nichtsdestotrotz aber sehr herzlich und nett. Oder lag es nur daran, dass wir mit Heidi eine Finnin unter den Staff Leuten hatten?
Egal, diese Tour hat uns zum ersten Mal in diesem Sommer über den See Hóp geführt, eine atemberaubend schöne Strecke. Zwölf Kilometer lang durch Wasser (Hóp ist eigentlich eine mit dem Meer verbundene Lagune, der Wasserstand ist also immer eine gewisse Überraschung) und im Tölt über schwarzen Sand nach Thingeyrar.
Als Staff Mitglied bekommt man auch die Gelegenheit, unabsichtlich einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen: man reitet nämlich mit der Herde erst los, nachdem man den Gästen einen grosszügigen Vorsprung (mindestens 30 min!) gewährt hat. Normalerweise verhalten sich die guten Tiere (die meisten sind schon seit Jahren mit auf dieser Tour dabei) auch im Herdenverband ganz manierlich und lassen sich auch brav stoppen, sollte etwas Unvorhergesehenes passieren. Allerdings nicht auf dieser Strecke. Egal wie anstrengend der Tag und wie heiss das Wetter zuvor war, über Hóp wird auch der älteste Gaul zum Rennpferd. Als Reiter gibt es dann nur eins: vorne bleiben um jeden Preis. Wir haben natürlich unsere Spezialpferde, die wir für genau diese Strecke aufheben. Und ja, Kraftur ist einer von denen. Der rast die 12 Kilometer durch, an Trab oder Tölt braucht man gar nicht zu denken. Galopp oder Rennpass ist angesagt. Er ist ja auch im Normalfall kein Fan von langsam gehen, aber über den See gibts keine Bremse. Zum Glück weiss er wo er hin muss.
In Thingeyrar steigt man dann meist völlig verdreckt und durchnässt von einem schwitzenden Pferd, hat aber ein grenzdebiles Dauergrinsen im Gesicht, welches auf kein Foto mehr passt.

Suchbild: Wieviele Pferde findet ihr?

Gleich im Anschluss machten wir uns mit ebendieser finnischen Gruppe auf den Weg zum Landsmót, von welchem wir noch die letzten drei Tage geniessen konnten. Endlich war auch der Sommer in Island angekommen, so dass wir uns gleich einen Sonnenbrand zulegen konnten. In diesem drei Tagen hatten wir alle Hände voll zu tun, aber gleichzeitig endlich mal frei. So konnten wir in aller Ruhe die hervorragenden Zucht- und Sportberwerbe, sowie Gestütspräsentationen und am Sonntag natürlich alle Finale geniessen. Für die Abendgestaltung war mit echt isländischen Parties gesorgt. Auffallend war auch die grosse Menge and Peinlich- und Seltsamkeiten, die immer gehäuft und zusammen auftreten: man unterhält sich über einen Nachbarn (der Hof B. ist nur 5km entfernt), nur um draufzukommen, dass selbiger sein Zelt einen Meter neben dem eigenen aufgestellt hat (und natürlich auch anwesend war). Oder ein von mir verzweifelt gesuchter Hufschmied, der genau dann jener Stelle auftaucht, auf die man gerade im Scherz mit den Worten "I bet he is hiding over there!!" gedeutet hat. Ausserdem trifft man auf dieser Veranstaltung wirklich jeden, ob man will oder nicht. Einige auch dreimal. Oder neunmal. Wenn die Welt ein Dorf ist, ist Island (oder genauer gesagt der Landsmót) die Gaststube des einzigen Wirtshauses am Samstag Abend: jeder kennt jeden und alle viele sind betrunken.
Unsere Theorie ist, dass die ganzen Peinlichkeiten den Weg bis in unsere Pampa nicht finden und sich deswegen sofort auf uns stürzen, sobald wir uns einmal in bewohntere Gefilde wagen.


Das Bemerkenswerteste sind natürlich die Pferde. Dort trifft sich die Elite. Was dort in der Kinderklasse schon herumläuft, lässt einen schon sabbern. (Für alle Pferdeleute: googlet mal Hágangur frá Narfastödum oder Kampan frá Húsavík!) Auch die Präsentationen der Hengste, die einen Preis für Nachzucht erhalten haben, waren einfach wunderbar.



Nach diesem schönen Wochenende gab es nur eine kurze Verschnaufpause, bevor die nächste Gruppe (24 Amerikaner) zu uns kamen. Die Strecke der Reittour war annähernd die gleiche, die Leute natürlich unterschiedlich.
Die Rückkehr zu unseren Pferden fiel uns nach den schönen Bildern vom Landsmót zwar etwas schwer, aber was will man machen. Ich bin mir sicher, dass die meisten dieser Turnierpferde nicht dasselbe leisten können wie die Arbeitspferde, die wir Staffmitglieder reiten.

Arbeitspferd, das: Bezeichnung für ein -> Pferd, dass zum Arbeiten mit einer -> Herde loser Pferde geeignet ist, sprich unbhängig ist. Bsp.1: das Ausreisser Szenario. Einzelne (im allgemeinen eh immer dieselben bescheuerten! Individuen sondern sich von der Herde ab und drehen um oder laufen in eine gänzlich andere Richtung. Das °~ muss in der Lage sein, sich auf Befehl SOFORT von der Herde abzuwenden und mit einem Affenzahn in beliebiger Gangart ohne Rücksicht auf Verluste über Stock und Stein (oder in Island vielmehr: durch Sumpf, Gestrüpp, Schlamm oder Fluss, wer schon mal in diesem Land geritten ist, weiss was ich meine..) zu düsen um die Ausreisser in grossem Bogen zu überholen und wieder zur Herde zurückzutreiben.
Die meisten Gäule müssen schon mit Nachdruck dazu gezwungen überredet werden sich überhaupt erst einmal umzudrehen, und bis dahin sind die Ausreisser über alle Berge.

Gustur
 Bsp.2: Das Brems-Szenario. Vor der Herde reiten bedeutet immer noch hinter einem Teil der Gäste zu reiten. Selbige sind zwar meist gute Reiter auf schnellen Pferden, aber trotzdem ist man als Staffmitglied natürlich der Puffer zwischen der Herde und den Reitern. Wenn die Herde also zu schnell wird, galoppiert man also im Zickzack von links nach rechts, um die überholenden Pferde abzubremsen. Dazu kann man "Hoooooo" rufn oder redet beruhigend vor sich hin. Wenn das aber nichts nützt, wendet man sich den Dränglern zu und schreit am besten laut "Bleib endlich hinten du Saubär!!!" . Mit der Gerte fuchteln hilft auch meistens.
Hinter der Herde muss man die Nachzügler oft auch ein bisschen treiben. "Hopp! Hooopp! Heute noch!!" "Fressen könnt ihr in der Pause!! HOOOOOOOOOOPP!!!!!!!!!!!!!!"
Damit das funktioniert, muss das°~ allerdings völlig schrei- und brüllsicher sein. Sonst endet in beiden Fällen weiter vorne als man möchte.^^

Glói


Bsp. 3: das Tor-Szenario: Auf den Ritten durch die isländische Pampa durchquert man natürlich auch fremde Weiden (mit und ohne diversen Tieren oder auch Hengsten, das macht besonders Spass). Auch hier gilt das gleiche wie beim Wandern auf der heimischen Alm: Was du aufmachst, mach auch wieder zu. Also für die die hinter der Herde reiten: Pferd anhalten, absteigen, Tor zumachen, aufsteigen/losreiten. Die Kunst liegt im ersten Teil des letzten Punktes, denn das Pferd will natürlich schon bevor man oben ist den anderen nachlaufen. Losreiten ist meist kein Problem mehr, es vermischt sich oft mit Punkt "aufsteigen" und wird vom Pferd selbstständig erledigt.
Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten sogenannten "Tore" diesen Namen eigentlich nicht verdienen und das schliessen derselben einige Zeit beanspruchen kann. Gute Arbeitspferde zeichen sich dadurch aus, dass sie nach fünf Minuten auch nicht mehr Theater machen als zu Beginn der Prozedur.

Lýsingur

Zusammenfassung: das Arbeitspferd ist meist schon ein bisschen älter und Jahren auf Tour, kennt die Wege, die Ausreisser und lässt sich auch durch verbeidonnernde LKWs auf der Gegenfahrbahn des Highways nicht sonderlich beeindrucken. Der Nachteil ist, dass es meist einen Grund gibt, warum gewisse Tiere zu Arbeitspferden gemacht werden: man gibt sie nur an Staff Mitglieder aus. Entweder diese Pferde sind für Gäste nicht verlässlich genug etwas irr oder sie tölten nicht. Das sind dann die berühmten Dreigänger (ohja, die gibts auch in Island!) oder die fast noch mehr berüchtigten weil grauenvolle Rückenschmerzen verursachenden Eingänger: Schweinepass in jeder gewünschten Geschwindigkeit. Nichtsdestotrotz lernt man diese hart arbeitenden Gäule wirklich zu schätzen!

Ténor
Ich hoffe, die Bilder sind gut genug, ich musste sie etwas verkleinern. Danke auch an Heidi, die mir einige ihrer Fotos zur Verfügung gestellt hat!

1 Kommentar:

  1. cooler blogeintrag! ich mag die arbeitspferdbeschreibung ;D
    die fotos vom landsmót sind auch toll! bin auch schon gespannt, was du dann vom pferdeabtrieb erzählen wirst!!! :)
    viele liebe grüße! :)

    AntwortenLöschen